Mit neusten Technologien gegen Standortnachteile
Seit fünf Jahren lassen wir kleine und mittlere Unternehmen (KMU) die Güte des Schweizer Wirtschaftsstandorts bewerten. Auch dieses Jahr haben knapp 2’000 KMU ihre Ansichten zu den hiesigen Standortbedingungen mit uns geteilt. Das Urteil fällt wie in den Vorjahren – von einigen wesentlichen Vorbehalten abgesehen – grundsätzlich gut aus: Die meisten Standortfaktoren – von uns Erfolgsfaktoren genannt – fördern den Geschäftserfolg von Schweizer KMU. Unternehmen können sich auf qualifizierte und motivierte Mitarbeiter, eine gute Infrastruktur, ein dynamisches Forschungsumfeld und grundsätzlich förderliche Finanzierungsbedingungen verlassen. Insbesondere Wachstumsbranchen wie Unternehmens-, Gesundheits- und IT-Dienstleister geben der Schweiz als KMU-Standort insgesamt gute Noten.
Allerdings befürchten kleine und mittlere Unternehmen, dass sich die regulatorischen Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren weiter verschlechtern könnten. Obwohl eine Mehrheit (aber nicht alle) der KMU diesbezüglich noch keine substantiellen Nachteile im Vergleich zum Ausland erkennen, beurteilen viele diesen Punkt als zunehmend negativ. Der Gesetzgeber bleibt also gefordert, dass der regulatorische Rahmen die KMU nicht über Gebühr belastet und der Schweiz damit zu einem Standortnachteil erwächst.
Zurzeit am meisten Sorgen bereitet den hiesigen KMU indessen das wirtschaftliche Umfeld, das wesentlich durch den überbewerteten Schweizer Franken geprägt ist. In diesem Kontext überrascht es nicht, dass KMU die Erstellungskosten als grössten Schweizer Standortnachteil im Vergleich zum Ausland identifizieren. Auch die Teilnehmer unserer Roundtable-Diskussion – die wir dieses Jahr zum ersten Mal durchgeführt haben und in der Studie zusammenfassen – sind ähnlicher Auffassung: Die Schweiz hat bezüglich Kosten im internationalen Wettbewerb einen deutlichen Nachteil, der letztlich zunehmend dazu führt, dass KMU weniger in der Schweiz investieren und ins Ausland verlagern.
Ähnlich wie unsere Roundtable-Teilnehmer sehen Schweizer KMU zum Glück jedoch nicht in erster Linie das Ausweichen ins Ausland als die wichtigste Strategie gegen den hiesigen Kostennachteil. Die meisten Unternehmen setzen viel eher auf die Einführung neuer Technologien, die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen oder investieren in Mitarbeiter. Sie nützen also noch stärker die unbestreitbar vorhandenen Standortvorteile der Schweiz. Mit Blick auf neue Technologien steht natürlich auch die Digitalisierung im Fokus, die inzwischen auch unter dem Modebegriff Industrie 4.0 bekannt ist. Es zeigt sich, dass eine grosse Mehrheit der befragten KMU den neuen digitalen Technologien offen gegenübersteht, sie bereits einsetzt und der Auffassung ist, dass diese die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Werkplatzes erhöhen können. Ob dies bereits die Aussage rechtfertigt, dass Schweizer KMU für die kommende(n) Welle(n) der Digitalisierung gerüstet sind, können wir an dieser Stelle nicht beantworten. Optimistisch stimmt hingegen auf jeden Fall, dass der derzeit rapide technologische Wandel von der Mehrh it der KMU als Chance – und nicht etwa als Gefahr – wahrgenommen wird.
Wir wünschen Ihnen eine spannende und anregende Lektüre.
Andreas Gerber
Leiter KMU-Geschäft Schweiz
Dr. Oliver Adler
Head Economic Research
Swiss Issues Branchen
2016