Digitale Achtsamkeit: Eine neue Beziehungsqualität
23.03.2017
Bits und Bytes verändern die Gesellschaft und Wirtschaft – und führen auf digitale Irrwege. Warum wie eine neue digitale Achtsamkeit und einen kreativen Umgang mit Digitalität brauchen.
Matthias Horx | Mindful Business
Quelle: www.zukunftsinstitut.de
Das Versicherungsunternehmen A hat schwierige Zeiten hinter sich. Im Zuge der Bankenkrise sind viele seiner Produkte marode geworden. Der Markt ist überfüllt, die Vertriebskanäle sind verstopft, es müssen massiv Kosten gespart werden. Das Management des Konzerns möchte nicht die öde Botschaft des Kostensparens verbreiten. Deshalb wird eine große Digitalisierungskampagne gestartet. Als Erstes wird ein Wettbewerb ausgerufen: Außendienstmitarbeiter mit den höchsten Umsätzen bekommen eine exklusive Reise ins Silicon Valley spendiert. Event-Konferenzen sollen den Mitarbeitern “das Thema” schmackhaft machen. Höhepunkt der Kampagne sind die “Digital Fun Rides” in einem großen Vergnügungspark. Auf der glamourösen Abschluss-Show veranlasst ein Motivationstrainer die Mitarbeiter unter dem Motto DI-GI-TAL-GE-NI-AL zum rhythmischen Klatschen.
Allerdings reagieren die Mitarbeiter in Außen- und Innendienst trotz allem Aufwand mit einer Mischung aus Abwehr und Skepsis. Sie spüren, dass ihnen hier unter einer glänzenden Hülle profane Effizienzprozesse verkauft werden. Die Internet-Plattformen, auf denen sie künftig ihre Produkte verkaufen sollen, verbessern weder das Produkt noch das Kundenerleben noch die Beziehungen im Kundenverhältnis. Im Gegenteil: Sie machen viele Abläufe schneller – was eher auf Kosten des Vertrauens geht. Rationalisierungseffekte müssen auf diese Weise von den Mitarbeitern selbst wieder eingeholt werden, durch mehr Arbeit und Eifer. Genau das will das Management – ohne es sich selbst und nach außen einzugestehen.
Der Versicherungskonzern A ist ein Beispiel für das Grundmissverständnis der Digitalisierung – mit einer digitalen Strategie, die auf Dauer scheitern muss. Mitarbeiter werden für den Mangel an echten Innovationen haftbar gemacht. Dem Druck des Marktes wird allein technisch begegnet. Und der Kunde durchschaut den Trick. Er merkt, wenn er plötzlich mit einem Automaten telefonieren soll statt mit realen Mitarbeitern – auch wenn ihm das als “zukunftsweisendes Künstliche-Intelligenz-System” verkauft wird. Ihm fällt auf, dass er die Formulare jetzt selbst online ausfüllen muss. Er realisiert schnell, wenn er alten Wein in digitalen Schläuchen verkauft bekommt.