Die hybride Welt in den Wolken
Marc Laszlo – Cloud Lead, Avectris Die Frage Cloud oder nicht stellt sich heute nicht mehr. Für die meisten Unternehmen ist die “richtige”
Cloud-Lösung eine hybride Cloud-Architektur. Warum es ohne sie (noch) nicht geht, aber mit ihr die
Herausforderungen bei einer Cloud-Transformation erst richtig beginnen.
Bedingt durch den aktuellen
Reifegrad der meisten IT-Plattformen funktionieren pure Cloud-Services noch nicht für die gesamte
Anwendungslandschaft eines Unternehmens. Dies, da bei vielen Anwendungen der spezifisch benötigte
On-Premise-Funktionsblock (z. B. die Anwendungslogik) sowie ein bereits cloud-fähiger Anteil (z. B. Computer)
der Zielarchitektur (noch) nicht vorhanden ist. Ausnahmen sind dezidierte SaaS-Lösungen (z. B. CRM) oder
IaaS-Produkte (z. B. DBaaS), da umfassende technologische Abhängigkeiten zu vorhandenen Legacy Stacks bestehen,
die ebenfalls auf pure Cloud-Lösungen migriert werden müssen. Aus diesem Grund migrieren Unternehmen bevorzugt
Anteile ihrer IT-Landschaft, die mit keinen oder nur sehr geringen Abhängigkeiten wirtschaftlich als pure
Cloud-Services nutzbar sind.
Diese Limitation mit den daraus folgenden dualen Lösungsarchitekturen führt
zwangsweise zu einem hybriden Szenario mit verschiedenen strukturellen Herausforderungen: der “hybriden Welt in
den Wolken”. “Hybrid” bedeutet in diesem Kontext, dass diverse Komponenten von Anwendungsarchitekturen –
gegebenenfalls multiple Cloud-Services – in Kombination mit vorhandenen Legacy-Lösungen funktional über den
gesamten Lebenszyklus effizient und sicher orchestriert werden müssen.
Herausforderungen bei Planung
und Umsetzung
Zukünftig werden immer mehr spezialisierte Branchenlösungen für die native
Digitalisierung der Wertschöpfungskette eines Unternehmens als pure Cloud-Services verfügbar sein und dadurch
eine Migration der entsprechenden Anwendungssysteme signifikant vereinfachen. Erst diese Entwicklung ermöglicht
die Auflösung der historisch gewachsenen Technologiesilos mit realistischen Migrationsaufwänden sowie einem
akzeptablen Risikoprofil für die zu erwartenden Geschäftsauswirkungen.
Für folgende beispielhafte
Herausforderungen müssen bei der strategischen Planung sowie operativen Implementierung von hybriden Szenarien
pragmatische Lösungen gefunden und effizient umgesetzt werden:
- Wirksame Automatisierung des operativen Managements der hybriden Architektur
- Gewährleitung der End-to-End-Security-Architektur der On-Premise- und Cloud-Services
- Sicherstellung des lückenlosen Monitorings und Reportings aller beteiligten Komponenten
- Konsequente Einhaltung aller relevanter Unternehmensstandards und Compliance-Regularien
- Unterbrechungsfreie Integration der Service-Desk- und Service-Management-Prozesse
- Integration in das Enterprise-Architektur-Management mit voller Kostentransparenz
- Adaption der Veränderungen an den integrierten Services durch die Cloud-Anbieter
- Realisierung der Anbindung von zusätzlich notwendigen Third-Party-Komponenten
- Einbindung von Serviceprovidern zur Nutzung von Outsourcing-Angeboten
- Diese Herausforderungen geben einen ersten Überblick über die bestehenden Handlungsfelder, um hybride Architekturen aus On-Premise und pure Cloud-Services kostenoptimal planen, implementieren und betreiben zu können.
Um hybride Szenarien effizient über den gesamten Lebenszyklus von Anwendungen managen zu können, müssen
Unternehmen die dazu notwendigen Cloud-Migrationen detailliert planen und alle dazu notwendigen Aspekte
vollständig berücksichtigen. Dazu zählen beispielsweise die Auswahl einer passenden Migrationsstrategie oder die
Entscheidung für ein kostenoptimales Bezahlmodell der prognostizierten Nutzungsaufwände der einzelnen
Cloud-Services. Hybride Cloud-Architekturen sind auf Grundlage der aktuell verfügbaren Technologien mit diversen
Vorteilen für Unternehmen effizient realisierbar, müssen aber kontinuierlich an die Veränderungen der genutzten
IaaS- und PaaS-Services angepasst werden.
Derzeitige Limitationen von IT-Plattformen führen dazu,
dass hybride Cloud-Architekturen die sinnvollste Lösung für viele Unternehmen darstellen. Welche Faktoren
bei Cloud-Transformationen berücksichtigt werden müssen, erklärt Marc Laszlo, Cloud Lead bei
Avectris.
Interview: Colin Wallace
Welche Cloud-Provider werden für den Schweizer Markt
zukünftig von Bedeutung sein?
Marc Laszlo: Mit dem Markteintritt von Microsoft Azure in der
Schweiz nehmen wir bei unseren Kunden eine starke Nachfrage nach entsprechenden Cloud-Services wahr. AWS und
Google haben ähnliche Pläne und werden in den nächsten Monaten sicherlich mit vergleichbaren Angeboten präsent
sein.
Wie beurteilen Sie die Zielsetzung bezüglich geringerer Cloud-Betriebskosten versus
On-Premise?
Die Aufwände für Betriebskosten müssen im Vorfeld möglichst genau analysiert werden und
das Lastverhalten über ein, zwei Jahre prognostizierbar sein. Hyperscaler bieten unterschiedliche Preismodelle
an, die durch eine intelligente Kombination eine wesentliche Kostenreduktion zum Standard-On-Demand-Preis der
jeweiligen Plattform ermöglichen. Nach unserer Erfahrung ist es sinnvoll, ressourcenintensive
Anwendungskomponenten nicht durch einen Cloud-Service zu ersetzen, da dieser meistens hohe Nutzungskosten in
Verbindung mit hohen Netzwerkkosten auf den Cloud-Plattformen generiert.
Wie können Kunden diese
Herausforderung meistern?
Neben der erwähnten Planbarkeit des Lastverhaltens ist eine kontinuierliche
Überprüfung des tatsächlichen Verbrauchs sowie der zeitpunktgenauen Peak-Last-Anforderungen notwendig, um die
möglichen Preisbausteine kostenoptimal kombinieren zu können. Zum Beispiel benötigen Webserver sowie Datenbanken
bei einer Produkteinführung oder Sales-Kampagne punktuell mehr Ressourcen als im Standardbetrieb ohne
zusätzliche Trigger für Lastspitzen.
Welche Grenzen für die Migration von Anwendungslandschaften
sehen Sie bei der Realisierung von hybriden Cloud-Szenarien?
Es müssen primär die
End-to-End-Limitationen von Roundtrip-Zeiten sowie das Latenzverhalten bei Migrationsstrategien für Anwendungen
berücksichtigt werden. Je sensibler ein IT-Service auf Verzögerungen im Antwortzeitverhalten reagiert, desto
genauer muss eine mögliche Cloud-Transformation kritisch überprüft und getestet werden, um die Servicequalität
nicht negativ zu beeinträchtigen.
Welche Vorgehensweise hat sich bei Avectris für
Cloud-Transformationen bewährt?
Wir konzentrieren uns für die Planung und Steuerung auf ein einfaches
und stringentes Vorgehensmodell. Zuerst analysieren wir die IT-Landschaft und erstellen eine Cloud-Heat-Matrix
auf deren Grundlage wir Business Cases erstellen. Danach gruppieren wir die IT-Komponenten in mehrere
Migrationscluster mit einer jeweils individuellen Migrationsstrategie – etwa “Lift & Shift”. Abschliessend
definieren wir aus den Rahmenbedingungen – Zeit, Kosten, Ressourcen und Risikotragfähigkeit – effiziente
Umsetzungspakete auf Grundlage der definierten Migrationscluster.
Erleben Sie eine Veränderung in der
Bereitschaft, Public-Cloud-Services für sensible Daten zu nutzen?
Ja, sowohl in Kundengesprächen wie
auch in Offertanfragen stelle ich über alle Branchen hinweg eine Zunahme der Bereitschaft fest, auf native
Cloud-Services zu migrieren. Anfragen bezüglich “Cloud Only”-Strategien, also die gesamte Office-IT sowie
Fachapplikationen und ERP-Systeme sukzessive auf eine Public-Cloud-Plattform zu migrieren, sind an der
Tagesordnung. Vor 18 Monaten wäre dies für viele Unternehmen nur schwer vorstellbar gewesen. Trotzdem glaube
ich, dass IT-Services in der nächsten Dekade von hybriden Multi-Cloud-Architekturen geprägt sein werden.
Was ist Ihre Einschätzung zur künftigen Nutzung von Cloud-Plattformen sowie
Public-Cloud-Services?
Ich glaube, wir werden eine immer schnellere Migration von
On-Premise-IT-Komponenten zu Public-Cloud-Services erleben, bei gleichzeitiger Zunahme der Leistungsfähigkeit
und Varianz der entsprechenden IaaS- und PaaS-Services. Speziell bei Container- und
Serverless-Plattform-Angeboten hat dieser Trend in den letzten Monaten auf dem Schweizer Markt deutlich
zugenommen.
Quelle und gesamter Artikel: netzwoche.ch