Die Erschütterung der Macht

06.06.2017.

Anne M. Schüller | Managementdenker, Keynote Speaker, Business Coach
Alex T. Steffen | Unternehmensberater für Innovation und Digitale Transformation

Macht und Angst sind ein Paar. So kommt es, dass Machtbesessene sich von »Fußvolk« abgrenzen wollen, ihren Zuständigkeitsbereich hermetisch abriegeln, im autistischen Silodenken verharren und ihre Befugnisse hüten wie einen Schatz. Verstehen sich Führungselite und Belegschaft als »wir hier oben« und »die da unten«, dann ist der Verfall vorprogrammiert. Wie bitte soll Außergewöhnliches geschehen, wenn stromlinienförmige Vorgänge-Abarbeiter und eine maultote Meute von Mitläufern das Unternehmen bevölkern? Wie bitte kann Zukunftsweisendes gelingen, wenn alle immer nur abwartend nach oben schauen, anstatt nach draußen zum Kunden und Markt? Das »Machtwort« des Chefs lässt wertvolle Initiativen oft einfach versanden.

Gerade die jungen Talente mit hohem Potenzial lernen auf dieseWeise, dass ihre Meinung nicht zählt. Und sie wandern in Scharen ab. Sie sind kompromisslos, wenn die Bereitschaft fehlt, siekonsequent einzubeziehen. Denn sie wissen: Der Fortschritt ist auf ihrer Seite. Und sie steigen nur mit denen ins Boot, die dies erkennen.

Der Chef als Ansagerund Aufpasser ist sowieso ein Auslaufmodell, weil Software das in Zukunft erledigt. Die Oberen können heutzutage nicht einmal ahnen, wohin der richtige Weg führt. »Ihre neue Aufgabe ist es, das Finden von Antworten zu organisieren«, bekräftigt Christoph Keese in seinem Buch Silicon Germany. Außerdem wird institutionalisierte Autorität von den Millennials sofort hinterfragt. Insignien der Macht sind für sie im Allgemeinen von wenig Belang. Wertvoll ist nicht der, der einen dicken Dienstwagen fährt, sondern derjenige, der die Community durch seine Impulse bereichert. Der Beitrag zählt, nicht das Schild an der Tür. Wer den wertvollsten Content liefert, wird von ihnen am meisten geschätzt und findet sich im Zentrum ihrer Netzwerke wieder. Für sie hat derjenige Einfluss, dem die Menschen freiwillig folgen.

Wer das Neuland der Zukunft betritt, muss also von klassischen Machtthemen Abschied nehmen, mit Gewohnheiten brechen, seine Komfortzone verlassen und ehemals gültige Glaubenssätze über Bord werfen können. Allerdings wiederholen Menschen gern Aktivitäten, in denen sie einmal siegreich waren. »SelfHerding« wird dieses Verhalten in Fachkreisen genannt. Ähnlich dem Herdentrieb folgen wir hier der »Herde« unserer eigenen früheren Entscheidungen. Solch ewig Gestrigen ruft der Managementvorausdenker Gary Hamel zu: »Die Zukunft macht leicht Narren aus den Unbelehrbaren, die sich zu lange an alte Gewissheiten klammern.«

Sind Organisationen alten Schlags also überhaupt reformierbar? »Das Grauen hat in jedem Managementsystem andere Erscheinungsformen« sagt der Managementphilosoph Gunter Dueck. Doch Gott sei Dank: Immer häufiger lernen wir Manager kennen, die mit neuen Formen der Zusammenarbeit experimentieren. Sie haben altbackenen Führungskonzepten abgeschworen, Planungsexzesse eliminiert und Machtstrukturen auf den Kopf gestellt. Verbrannte Erde widert sie an. Und für verheiztes Personal wollen sie nicht verantwortlich sein. Sie suchen nach neuen, kooperativen und sich selbst organisierenden Businessmodellen, um mit Mitarbeitern, Kunden und Partnern gemeinsame Werte zu schaffen. Andere wären veränderungsoffen, sind aber Teil eines korrodierten Systems, das sie aus eigener Kraft nicht wandeln können. Der Erneuerungswille muss deshalb von der Unternehmensspitze her kommen. Und damit es im Führungsbereich keine fortschrittsscheuen Bremsklötze mehr gibt, können die jungen Wilden als Helfershelfer für das Neue fungieren. Das Reverse Mentoring und viele weitere Methoden, die wir weiter hinten betrachten, zeigen den Weg.

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