Das Ökosystem ist entscheidend

13.12.2022.

Reinhard Riedl

Quelle: computerworld.ch

Ein neues eID-Gesetz ist aufgegleist. Es ist besser als das in der Volksabstimmung verworfene. Der Knackpunkt bleibt die Art der Umsetzung. Dabei kommt es auf die richtigen Ziele an.

Wozu benötigen wir eine eID? Mit Kreditkarten funktioniert eCommerce problemlos und mit kantonalen eIDs die digitale Einreichung der Steuererklärung. Wir haben bis jetzt die digitale Transformation in der Schweiz auch ohne eID relativ gut bewältigt. Die Zufriedenheit mit dem Status quo ist jedoch trügerisch. Er kann sich schnell ändern, wie Bankenkrise und Pandemie gezeigt haben. Erinnern wir uns daran, dass im Lockdown das Schweizer Schulwesen jenem in Deutschland oder Österreich primär darin überlegen war, dass es überhaupt einen ernsthaften Diskurs über Defizite gab. Das ist gut so, doch kein Erfolgsnachweis.

Trotzdem, eine eID auf Vorrat für unbekannte Bedürfnisse wäre Unfug. Wir benötigen eine überzeugende Antwort auf die Wozu-Frage, sonst wird die Schweizer eID – voraussichtlich ab 2025 – ähnlich wenig Nutzerinnen und Nutzer finden, wie einst die SuisseID. Insbesondere muss eine Schweizer eID Vorteile gegenüber den eIDs von Google und Meta bieten. Tatsächlich gibt es viele «ein bisschen überzeugende» Gründe für eine nationale eID: Sie würde das Internet zu einem sichereren Ort für geschäftliche Transaktionen und demokratische Meinungsbildung machen. Konkret würde die Eindämmung von Cyberkriminalität und von «gekauften Shitstorms» erleichtert. Staatlich anerkannte digitale Unterschriften und existierende digitale Identitäten im Schul- und Hochschulwesen könnten guten Gewissens damit verknüpft werden. Sie würde die digitale Selbstbestimmung und die digitale Souveränität der Schweiz fördern und – bei passendem Design – in der EU anerkannt werden. Anders als die Übernahme von Lösungen aus dem Silicon Valley wäre die Interoperabilität mit der EU dabei keine Unterwerfung unter «fremde Fötzel». Dem steht gegenüber, dass viele Staaten entweder lange brauchten, bis die eID erfolgreich war, oder ihre Nutzung für Steuererklärungen zwingend vorschrieben, was keine politische Option in der Schweiz ist.

Der wirklich überzeugende Grund ist ein anderer. Wir haben ihn zum ersten Mal vor über 20 Jahren im Forschungsprojekt FASME (Facilitating Administrative Services for Mobile Europeans) gesehen. Er gilt auch innerhalb von Staaten und in der Privatwirtschaft: In vielen Kontexten ist die Möglichkeit, von Institutionen vertrauenswürdige Eigenschaftsnachweise online ausstellen zu lassen, extrem nützlich. Früher war dies nur beschränkt realisierbar. Doch das neue Konzept eines eID-Ökosystems – basierend auf einem Digital Wallet und Verifiable Digital Credentials – ermöglicht heute eine offene Implementierung mit einem staatlichen Vertrauensanker.

Fazit: Wir benötigen nicht irgendeine staatliche eID, sondern ein staatlich verankertes eID-Ökosystem, das offen ist für viele Nutzungen. Das ist komplex, jedoch einfacher erfolgreich zu realisieren als eine Stand-alone-eID.

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