Digitale Wirtschaft: nur mit fokussierter Kundenperspektive

09.02.2021.

Von Roger Eric Gisi

Kunden zu finden und langfristig nachhaltig zu betreuen, profitabel zu bewirtschaften, ist in den meisten Branchen ohne Internettechnologien nicht mehr möglich. Mit CRM-Konzepten verbessern Sie die Beziehungen zu Ihren Kunden.

Der Internet-getriebene Vertrieb gewinnt wachsende Bedeutung in Differenzierungs-, Kundenmanagement- sowie Kostenstrategien und wird folgerichtig der Dreh- und Angelpunkt für das Überleben ganzer Unternehmen sein. Die Veränderungen und Fortschritte in Marketing und Vertrieb sind so dramatisch, dass selbst für bisher erfolgreichste Unternehmen «Business as usual» einfach nicht genügen wird, um mit innovativen, globalen Wettbewerbern mitzuhalten. Informations- und Kommunikationstechnologien werden in Vertriebs-, Marketing- und Serviceprozesse in einer heute noch nicht voll überschaubaren Dichte und Auswirkung einziehen. Insofern ist der Schluss richtig: Die vielzitierte digitale Revolution findet vor allem rund um das Thema «Kundenorientierung» statt, das heisst in der Kundenbeziehung und im unternehmensübergreifenden Kundenmanagement.

Zugegeben – das Thema «Kundenorientierung» wird trotz einer inflationären Diskussion immer noch nicht ernst genug genommen. Einerseits nimmt fast jeder für sich in Anspruch, kundenorientiert zu handeln. Andererseits zeigt ein Blick hinter die Kulissen jedoch, dass nur wenige Prozesse, Produkte und Dienstleistungen sich durchgängig am Kunden ausrichten. Gleichzeitig macht die wachsende Wettbewerbsintensität die Umsetzung kundenorientierter Strategien dringend zu einem Muss. Wer hier noch lange diskutiert und nicht handelt, wird Kunden verlieren.

Vom Massenmarketing über 1 : 1-Marketing zum personalisierten Marketing

Die meisten der heutigen Marketingleute haben Erfahrungen mit Verfahren des traditionellen Massenmarketings. Dieser Marketingansatz besagt, dass Sie Ihre Botschaft über Massenmedien wie Fernsehen, Werbung in Printmedien oder über Direct Mail an möglichst viele Kunden und Interessenten richten.

Einige Unternehmen haben diesen Ansatz aufgrund der hohen Kosten und der geringen Effektivität zum Teil verlassen. Sie wählten deshalb ein auf unterschiedliche Segmente abgestimmtes Marketing – allerdings ohne sich auf einen einzelnen Kunden im Segment einzustellen. 1:1-Marketing bedeutet: Produktion und Marketing werden nicht auf anonyme Zielgruppen, sondern auf jeden einzelnen Kunden individuell zugeschnitten. Das Problem ist, dass das Ganze zumindest mit der Produktivität herkömmlicher Massenabfertigung zu geschehen hat. Die Fertigungsindustrie hat sich mit flexiblen Fertigungssystemen und «Mass Customizing» bereits auf individuelle Kundenwünsche ausgerichtet. Auch in einigen Dienstleistungsbranchen wird dieser Ansatz erfolgreich betrieben.

Mit dem Internet ist nunmehr der nächste Schritt in Richtung Effektivität möglich – die Kombination von Massenmarketing und 1:1-Marketing: personalisiertes und echtzeitorientiertes Massenmarketing. «Personalisierungs-Marketer» differenzieren nicht nur ihre Produkte, sondern insbesondere ihre Kunden. Sie suchen mit jedem einzelnen Kunden über interaktive Medien individuellen Dialog und Feedback. Sie gehen auf die spezifischen Bedürfnisse jedes einzelnen Kunden mit individuell zugeschnittenen, personifizierten Angeboten ein. Sie versuchen nicht nur Marktanteile, sondern auch die Kundenanteile zu optimieren und gleichzeitig die Kundenbindung während der gesamten «Kundenlebenszeit» sicherzustellen.

Im Zentrum dieser Marketing-Zukunft steht das kundenorientierte Wissensmanagement. Das Management von Tausenden oder gar Millionen individuellen Kundenbeziehungen, Bedürfnissen, Ver-haltensweisen und Vorlieben erfordert einen völlig neuen Umgang mit Informationen. Die tragenden Lösungen wie Data-Warehouse-, Analyse-, Internet- und datenbankgestützte Call-Center-Anwendungen sind bei mehreren Firmen verfügbar und in die unternehmensweite Business Suite eingebunden.

Sie können Interessenten identifizieren und in-dividualisieren, mit ihnen interaktiv kommunizie-ren und simultan massgeschneiderte Angebote abgeben – und das alles in Echtzeit. Das Besondere ist, dass Sie zu einem Bruchteil der herkömmlichen Marketingkosten mit Ihrem personalisierten Massenmarketing Millionen von Interessenten in allen Märkten der Welt mit Internetgeschwindigkeit erreichen werden. Die Fähigkeit, Kunden indivi duell anzusprechen und schnell sowie flexibel auf die unterschiedlichsten Kundenwünsche zu reagieren, ist wettbewerbsentscheidend. Das setzt allerdings voraus, den Kunden frühzeitig und intensiv in den Marketing- und Customizingprozess zu integrieren. Um Ihr Potenzial bestmöglich zu durchdringen, werden Sie weiterhin auch Kanäle wie Direct Mail, Direktvertrieb oder Call Center nutzen. In diesem Zusammenhang ist es wesentlich, das Prinzip «one-face-to-the-customer» sicherzustellen und alle In-teraktionskanäle automatisch zu koordinieren. Auf diese Weise erreichen Sie gleichzeitig eine Rund-umsicht auf jeden einzelnen Kunden Ihres Poten-zials.

Individuelle Beziehungen schaffen Kundenbindung

Wie im herkömmlichen Geschäft, so auch im E-Business: Nur rundum zufriedene Kunden sichern den Erfolg. Soll dieser Erfolg von Dauer sein, muss eine langfristige Kundenloyalität erreicht werden. Dies aber ist deutlich schwieriger geworden. In der Vergangenheit profitierten die etablierten Ver-triebsorganisationen von einer langfristigen Kun-denbindung – nicht selten ein Leben lang. Die Kin-der entschieden sich für den gleichen Versicherer wie der Vater, und alle Risiken hatte man möglichst bei ein und demselben Unternehmen versichert. Auf diese Weise brauchte ein Verkäufer keine be-sonderen Anstrengungen zu unternehmen, um seine Kunden kennenzulernen und an sich zu binden. Diese herrlichen Zeiten sind mit dem Internet und dem gesteigerten Preisbewusstsein der Verbraucher endgültig vorbei. Die Vielfalt der Angebote ist für Kunden transparenter und einfacher zugreifbar geworden. Kundenbindung muss ständig neu er-kämpft und gegen schnellere Kundenwanderungen sowie neue Eindringlinge verteidigt werden. Kun-denbindung kann im Internetzeitalter nur noch mit einem professionellen Beziehungsmanagement erreicht werden, das alle Interaktionskanäle syn-chronisiert und mit modernen Data-Warehouse-Technologien, Analyse- und Personalisierungs-mechanismen optimiert wird. Sie brauchen die richtigen Technologien und Anwendungssysteme, um Millionen individueller Beziehungen wirtschaft-lich zu handhaben, um auf Basis von Kundenprofi-len, bisherigen Transaktionen und vielfältigen Ein-schätzungen personalisierte Angebote in Minuten abzugeben, um alle Vertriebskanäle und unterneh-mensweite Kundenberührungen integriert zu be-trachten und jederzeit eine 360-Grad-Sicht auf jeden einzelnen Kunden zu besitzen.

Die Kundenloyalität kann künftig nur dann er-wartet werden, wenn jeder einzelne Kunde das Gefühl hat, mit seinen individuellen Bedürfnissen und Wertvorstellungen ernst genommen zu werden und ein auf ihn persönlich zugeschnittenes Angebot mit einem erkennbaren Mehrwert zu erhalten. Und das gilt nicht nur für das Massengeschäft mit Ver-brauchern im Versandhandel, in der Touristik, im Buchvertrieb, in der Finanzdienstleistungsbranche oder im Autohandel, sondern auch im Business-to-Business-Verkehr – sei es in der Stahlbranche, im weltweiten Anlagenbau, im Gesundheitswesen oder in der Landwirtschaft. Letztendlich ist kaum eine Branche ausgenommen.

Kundenwünsche schneller erkennen

Die Kundenerwartungen an Produkte, Konditionen, Distribution, Information, Kommunikation, Liefer-zeit, Lieferflexibilität und Liefergenauigkeit werden immer anspruchsvoller, individueller, differenzier-ter. Das schnellere Antizipieren der sich ständig ändernden Kundenbedürfnisse, das Erkennen von Marktchancen und Potenzialen sind Faktoren, die künftig noch bedeutsamer als bisher Wohl und Wehe eines Unternehmens bestimmen. Insofern geht der Trend in allen Branchen dahin, den Absatz über hundertprozentige Kenntnisse der Märkte, der Dis-tributionskanäle, der Kundenpotenziale sowie über individuelle Kaufmotive zu steuern und aus viel-fältigen Potenzialmerkmalen und Motiven die in-dividuelle Kundenzukunft abzuleiten. Aber um das zu erreichen und nichts dem Zufall zu überlassen, müssen in digitalen Modellen permanent Fragen beantwortet werden, die man bisher nicht stellen musste – zum Beispiel im E-Commerce:

  • Über welche Werbung wurde der Besucher auf die Webseite aufmerksam?
  • Wie erreichen einzelne Besucher unseren Wer-beauftritt?
  • Über welche Portale kamen wie viele und welche Benutzer auf unsere Webseite?
  • Wann besucht welcher Kunde unsere Webseiten?
  • Wie ist die Verweildauer auf den einzelnen Sei-ten?
  • Welche Angebote wählen die Besucher am schnellsten aus?
  • Wie viele Klicks braucht er bis zum Kauf?
  • Welche Produkte landen im Warenkorb und bleiben dort bis zum tatsächlichen Kauf?
  • Bei welchem Angebot wechselt er die Domain?
  • Welche Potenziale für Cross-Selling gibt es?

Antworten auf derartige Fragen sind mit klassischen Methoden nicht zu erwarten. Aber wir brau-chen das Wissen und müssen es in die strategischen Überlegungen und taktischen Massnahmen einbe-ziehen. Dieses Wissen ist Voraussetzung, um in Zeiten der Digitalisierung das Angebot an den tat-sächlichen Bedürfnissen des Kunden zu orientieren, die Angebots- und Marketingeffektivität zu messen, sich abzeichnende Trends frühzeitiger zu erkennen, den webbasierten Vertriebskanal attraktiver zu ge-stalten, profitable Kunden an den E-Commerce-Auftritt zu binden und alle Kunden- und Cross-Selling-Potenziale auszuschöpfen.

Das Schlüsselziel bleibt, die profitablen Kunden-beziehungen und die Bestimmungsfaktoren des Kundenwertes schnell zu erkennen und daraus für beide Seiten (Kunde und Unternehmen) das Beste zu machen. Dank Digitalisierung ist dies möglich.

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