Kundenerwartungen und -verhalten in einer digitalisierten Welt
Kunden haben Erwartungen. Eigentlich eine Riesenfrechheit. Und sind nur zufrieden, wenn diese Erwartungen auch erfüllt werden. Sie vergleichen andauernd Erwartungen mit ihren Wahrnehmungen und ziehen ihre Schlüsse. Wo kommen diese Erwartungen bloß her?! Genau das fragen sich Wissenschaftler seit über 40 Jahren. Inzwischen haben sie das auch recht genau untersucht.
Erstens resultieren Erwartungen aus Bedürfnissen. Das ist auch gut so. Denn ohne Bedürfnisse könnten wir ja schließlich nichts verkaufen. Kunden möchten ihre Bedürfnisse erfüllen und suchen dafür Anbieter. Nur gibt es dummerweise heute für fast jedes Kundenbedürfnis gleich mehrere Anbieter. Da ist es praktisch, dass Erwartungen auch geweckt werden können. Die Kommunikation unseres Unternehmens ist ein zweiter (von insgesamt vier) Einflussfaktoren auf die Erwartungen von Kunden. Das, meine lieben Leser, ist aber dann auch schon die gute Nachricht dieser kleinen Geschichte: Erwartungen kann man mit gezielter Kommunikation beeinflussen.
Der Vergleich zweier Fluggesellschaften zeigt das ganz wunderbar. Airline Nr. 1, sagen wir: die Lufthansa, beantwortet eine eingehende E-Mail automatisiert wie folgt: „Sehr geehrter Kunde, besten Dank für Ihre E-Mail, wir werden diese so schnell wie möglich beantworten.“ Airline Nr. 2, sagen wir: Singapore Airlines, antwortet auch automatisch: „Sehr geehrter Kunde, besten Dank für Ihre E-Mail, wir versprechen Ihnen, diese innerhalb von drei Tagen zu beantworten.“ Die Lufthansa antwortet binnen 36 Stunden, Singapore innerhalb zwei Tagen. Was meinen Sie: Wer hat die zufriedeneren Kunden? Natürlich Singapore Airlines, denn das Unternehmen hat die Erwartungen seiner Kunden gezielt gesteuert und so rein handwerklich Zufriedenheit generiert.
Dritter Einflussfaktor sind Erfahrungen – und zwar Erfahrungen mit dem Unternehmen, an das man Erwartungen hegt, sowie dessen direkter und indirekter Konkurrenz. Hat man einmal eine schlechte Erfahrung gemacht, erwartet man erneut eine schlechte Erfahrung. Menschen sind so. Umgekehrt gilt das natürlich auch für gute Erfahrungen. Und das ist der Grund, warum man sich zufriedene Kunden durchaus kurzfristig kaufen kann, solch ein Vorgehen aber langfristig gesehen sehr teuer werden kann.
Dies belegt auch das Kernproblem, das entsteht, wenn ein Unternehmen nicht mit seinen Rabattierungsinstrumenten umgehen kann. Nehmen wir an, ein Kunde will ein bestimmtes Produkt erwerben. Er hat den Preis recherchiert, seine Erwartungshaltung ist gesetzt. Nun bietet ihm der Verkäufer ungefragt einen Rabatt von 25 Prozent an. Der Kunde ist begeistert, seine Erwartungen wurden übertroffen. Welchen Preis erwartet er beim nächsten Mal? Wie wird er reagieren, wenn er beim nächsten Mal diesen Preis nicht bekommt? Was bedeutet das für die Beziehung? Auch hier kann das Unternehmen also durch konsistentes erwartungsgerechtes Verhalten die künftigen Erwartungen beeinflussen.
Der vierte und letzte Einflussfaktor auf die Kundenerwartungen ist die Reputation des Unternehmens oder die Mundpropaganda. Was sagen andere über mein Unternehmen und meine Leistungen? Gerade in Zeiten von Social Media hat Mundpropaganda einen enormen Einfluss auf Kunden, schließlich geht es bei den meisten Käufen ja auch um soziale Akzeptanz. Was meint mein direktes Netzwerk zu dieser oder jener Marke? Welche sozialen Risiken oder Chancen birgt der Kauf? Gerade in Zeiten einer hohen Markt- und Werbesättigung kann es entscheidend sein, wer aus meinem Freundeskreis den virtuellen Facebook-Daumen hebt oder senkt.
All diese vier Einflussfaktoren – die Bedürfnisse, die Unternehmenskommunikation, die Kundenerfahrungen und die Meinung Dritter – tragen zur Erwartungshaltung von Kunden bei. Dabei ist der Mix aus diesen Faktoren durchaus individuell. Dem einen sind die Meinungen seines Umfelds halt wichtiger als dem anderen, der sich vor allem auf seine Erfahrung verlässt, während ein Dritter vielleicht einfach nüchtern die Versprechen von Unternehmen gegeneinander und gegen seine Bedürfnisse abwägt.
1 Marketing allein wirkt immer weniger!
Nun stellt sich die Frage, wie die Digitalisierung die Erwartungen von Kunden und damit ihr Verhalten verändert hat. Betrachtet man es aus der Welt des Marketing, war es bislang eigentlich ganz einfach: Man identifiziert Kanäle, auf denen der Kunde erreichbar ist und sendet permanent eine Kaufbotschaft. Irgendwann – so die Theorie – erhört uns der Kunde und kauft tatsächlich. Zumindest wenn wir die vier P des Marketings – Produkt, Price, Place und Promotion – in einem stimmigen Marketingkonzept verpackt haben. Doch so einfach ist es seit mehreren Jahren nicht mehr. Denn zum einen trauen Menschen den Marketingbotschaften der Unternehmen immer weniger. Zum anderen erhalten wir in großen Städten heute etwa 1.200 Werbebotschaften und damit Versprechungen pro Tag. Wer soll das noch ernst nehmen? Werbung ist so unbeliebt wie nie zuvor. Grundsätzliche Probleme des Kunden aber bleiben bestehen: Welches Produkt oder welche Dienstleistung ist denn wirklich das oder die beste?
Um diese Frage zu beantworten, ziehen Menschen zunehmend das Internet zurate. Doch der jeweilige erste Touchpoint für eine Produktsuche, also Google, gibt nicht immer die richtigen Antworten. Welches der über tausend Suchergebnisse ist denn das richtige, welches beruht auf Qualität, und welcher Eintrag ist gekauft oder über gutes Suchmaschinenmarketing zustande gekommen? Verloren hat bei dieser Fragestellung häufig der Anbieter, der auf den Seiten zwei bis n landet. „The best place to hide a dead body is on page two on google!” zeigt die Erfahrung.
Die Suchmaschine allein gibt noch keine Antworten, welches Produkt denn wirklich zu mir passt. Also suchen Konsumenten zunehmend Antworten bei Experten, Fachzeitschriften und seit Jahren immer mehr bei ihren eigenen Netzwerken. Logisch: Was für meine Freunde gut ist, kann für mich ja nicht schlecht sein. Denn: Gleich und gleich gesellt sich gern. Also fragt man als schlauer Konsument nach Empfehlungen.
Und das ist (drittens) so einfach wie nie zuvor. Wir sind durch eine hohe Dichte an Smartphones mit ständigem Zugriff auf große Netzwerke via Social Media immer vernetzt. Auf den meisten Smartphones ist ein Facebook-, WhatsApp- oder Snapchat-Client installiert. Und daher können Menschen im deutschsprachigen Raum im Durchschnitt heute auf etwa 500 Kontakte zugreifen. Und genau diese Personen können zu jeder Sekunde an jedem Ort mit einer Frage nach einer Empfehlung erreicht werden.
Dazu ein Beispiel: Ich bin Vater einer zehnjährigen Tochter. Dieses bedauernswerte Kind wurde neulich damit konfrontiert, dass der Familienfernseher kaputt ging. Und das just an dem Samstag, an dem am Abend die Lieblingssendung der Tochter, die „Show mit der Maus“ auf dem Programm stand. Nachdem sie (die Tochter) realisiert hatte, dass es damit (der Sendung) wohl ohne Fernseher schwierig werden würde, stellte Sie mir eine Frage: „Daddy, du willst doch ‚Daddy des Jahres’ werden, oder?“ DIESE Botschaft war nicht misszuverstehen. Also machte ich mich auf zum Fernsehgeräte-Anbieter meines Vertrauens – der Firma Media Markt. Ich bin ja nicht blöd! Dort angekommen das gewohnte Bild: Hunderte von Geräten, alle riesengroß, alle ultraflach, alle gestochen scharf und auf allen läuft das neueste Video von Shakira. Als Mann ist man da grundüberfordert ¬– auch mit der Auswahl.
Also: nach Beratung gefragt: Ein Angestellter im roten T-Shirt geht schnellen Schritts vorbei, murmelt: „Kollege kommt gleich“. Das stimmt: Der kommt und wird schon von drei weiteren Pärchen verfolgt, die seit 9.30 Uhr nach Beratung gieren. Von hier ist also keine Hilfe zu erwarten. Doch welches TV-Modell nehmen? Es gibt zwei Optionen: Entweder ab zum Fachhandel oder das Netzwerk fragen. Erstmal letzteres. Also: Griff zum Handy, Frage in Facebook eingegeben. Nach zehn Minuten hatte ich sieben relevante Empfehlungen mit einer klaren Tendenz. Einer fragt beim empfohlenen Modell noch nach dem Preis. Ergebnis: Zehn Prozent billiger als bei seinem Kauf noch vor zwei Monaten. Uneingeschränkte Empfehlung. Ich wähle meinen Fernseher, bedanke mich bei Netzwerk, tue dort kund, welches Modell ich gekauft habe und werde „Daddy des Jahres“.
2 Empfehlungen sind die “Währung” des neuen Marketing!
Und genauso funktioniert das neue Marketing: Der Kunde erlebt etwas, bewertet das für sich als gut oder schlecht und empfiehlt es weiter. Dabei spielen die Produktqualität und die Kundenerlebnisse bspw. bei Beratung und Service eine wichtige Rolle. Gerade über Social Media ist es dann leicht, dafür eine Bewertung abzugeben. Der Gefällt mir-Button auf Facebook ist die Empfehlungswährung der Gegenwart. Also müssen wir uns damit auseinandersetzen, wie solche Empfehlungen entstehen:
Primär geht es um das Ziel, dass sich Kunden bei unserer Marke langfristig sicher, umsorgt, wertgeschätzt und verstanden fühlen. Oder einfach nur glücklich sind. Doch wie bekommt man das hin? Es geht primär darum zu verstehen, in welcher Phase seiner Erlebnis- oder Entscheidungskette sich der Kunde in Bezug auf unsere Marke gerade befindet. Diese fängt häufig schon weit vor dem Kauf mit dem Realisieren des eigenen Bedürfnisses und der Suche nach Optionen an, um dieses Bedürfnis zu befriedigen. In dieser Phase kommt es für den Kunden häufig schon über verschiedene Touchpoints zu Fragen. Das Unternehmen, das die Fragen bemerkt und gezielt empathisch beantworten kann, vermittelt dem Kunden das gewünschte Gefühlsspektrum.
3 Service ist das neue Marketing! Und wird strategisch wichtiger!
Dieses eBook zeigt Vorgehensweisen, Ideen und Technologien auf, mit denen man überragenden Kundenservice in einer Digitalisierten Welt liefern kann. Und das wird immer wichtiger. Denn die Ergebnisse des Service Excellence Cockpits zeigen es deutlich auf. Nachdem der mediale Kundenservice zwischen 2008 und 2011 nahezu vollkommen aus dem Focus des Topmanagements verschwunden war, wird er bis 2020 in zwei Drittel der befragten Unternehmen strategisch als „sehr wichtig“ eingeschätzt.
Und genau die Ausrichtung auf Kundenerlebnisse und Effizienz, Daten und Cross- und UpSelling wird in den nächsten 5 Jahren stark ins Bewusstsein des Top-Managements zurückkehren. Davon sind die Befragten überzeugt. Denn die Anforderungen sind gerade in den letzten drei Jahren massiv gestiegen. Die Digitalisierung hat neue Touchpoints wie Chat und Self-Service-Plattformen hervorgebracht. Diese gilt es ideal in die bestehenden Abläufe einzubinden und sich Gedanken zu machen, welche Kanäle denn tatsächlich für guten Kundenservice geeignet sind. Das Contact Center hat sich dabei als die geeignete Organisationsform herauskristallisiert.
Doch auch der Druck durch gestiegene Kundenerwartungen trägt zu einer strategischeren Betrachtung des Kundenservice bei. Das ist vor allem mit dem weltweiten Siegeszug des Net Promotor Score (NPS) bei der Messung von Kundenorientierung und Loyalität zu erklären. Heute nutzen schon 38% der befragten das NPS System, um auch Service-Center Interaktionen zu messen, 13% der Unternehmen planen die Einführung des NPS. Der Net Promotor Score – entwickelt von Fred Reichheld vor etwa 15 Jahren – misst aber vor allem die Weiterempfehlungsbereitschaft eines Kunden. Unterschieden werden hier Promotoren, die das Unternehmen aktiv weiterempfehlen, Detraktoren, die Negativempfehlungen aussprechen und Neutrale, die lediglich zufrieden aber nicht gebunden sind. Die Gebundenheit kommt jedoch durch positive Erlebnisse des Kunden zustande. Eine reines Management auf Basis möglichst geringer Kosten und einer minimal ausreichenden Zufriedenheit, reicht also nicht mehr aus, erwartet man im Top-Management, dass das Service-Center massgeblich zu einem hervorragenden NPS beiträgt.
4 Die Gestaltung des Kundenerlebnisses wird zur Kernkompetenz, die man nicht outsourcen kann
Die Gestaltung des Kundenerlebnisses wird dabei mehr und mehr zu einer Inhouse-Aufgabe, den Agenturen und outgesourcte externe Call Center verfügen weder über das Kundenwissen noch über die Schnittstellenkompetenz im Unternehmen. Daher ist es vor allem notwendig, zu verstehen, welche „Reiise“ der Kunde durchläuft. Die Arbeit mit Personas, welche attraktive Kundengruppen repräsentieren und für die Gestaltung dieser Customer Journey wichtig sind, gehört also zukünftig zum Alltag auch eines Contact Center Leiters. Dabei ist es wichtig, relevante Details aus dem Leben der Kunden nachvollziehen zu können: In welchen Situationen beschäftigt sich der Kunde mit unseren Produkten und Dienstleistungen? In wiefern kann der Kunde alle Aspekte unserer Leistung verstehen? Und welcher Aspekt führt dann zu welcher Nachfrage beim Kunden? Welchen Kundenservice können wir von Vorneherein vermeiden, weil wir die zugrunde liegenden Fehler unseres Unternehmens verhindern? Und wie schaffen wir es generell Unsicherheit, Komplexität und Stress im Kundenkontakt zu reduzieren. Dabei darf nicht vergessen werden, dass sich die Wege des Kunden abhängig von technologischem Fortschritt und zur Verfügung gestellter Kapazität an einzelnen Touchpoints durchaus von Jahr zu Jahr verändern. Ein toolbasiertes Customer Journey Mapping wird schon deshalb in fünf Jahren zum Handwerkszeug des Customer Experience Managers gehören, um jährliche aufwendige Excel oder PowerPoint Übungen zu vermeiden und um mit der Versionierung von sich systematisch entwickelnden Customer Journeys stand zu halten. Überlegen Sie einmal: Sie arbeiten mit fünf Personas und jede durchläuft nur zwei hypothetische Journeys. Im Jahr 1 nach Ihrer Initialplanung stellen Sie plötzlich fest, dass ca. ein Drittel der Kunden mehr online kaufen. Was heisst das für die Planung Ihrer Customer Experience? Wieviel Zeit verwenden Sie, um alle geplanten Journeys händisch anzupassen?
5 Die Value-Irritant-Matrix als strategisches Planungsinstrument
Das Schöne am Kundenservice ist in diesem Zusammenhang, dass Unternehmen und Kunden aber ein gemeinsames Ziel verfolgen: Beide wollen dem Kunden möglichst schnell die richtige Antwort liefern. Und das macht es notwendig, zu wissen, warum Kunden über Chat, email und Telefon das Unternehmen kontaktieren und wie schnell Ihnen geholfen wird. Relevante Kennzahl wird dabei die Erstlösungsquote (FCR). Diese liegt nach wie vor mit durchschnittlich über 70% bei den Touchpoints Telefon, Chat und Self-Service am höchsten. Email, Brief und Fax eignen sich eben weniger gut bei der Beantwortung von Serviceanfragen. Dabei muss aber auch festgehalten werden, dass sich das Unternehmen auf Kundendialoge konzentrieren sollte, die für Kunde UND Unternehmen wertvoll sind. Die von Bill Price, dem ehemaligen Chief Service Manager von Amazon.com, entwickelte Value-Irritant Matrix gibt hier einen Eindruck, wie ein Unternehmen seinen Kundenservice gezielt zwischen „Automatisierung“, „Vereinfachung“ und „wertvoller Kundendialog“ gestalten kann.
Danach wird einerseits aus der Sicht der Unternehmung überlegt, ob diese an einem Kontakt mit dem Kunden unter Service-Gesichtspunkten interessiert ist, weil sie etwas über ihre Produkte und Dienstleistungen lernen kann, sich dadurch Ideen für Einsparungen ergeben sowie es sich durch den Kontakt eine Chance ergibt, weitere Produkte oder Leistungen zu verkaufen oder eben nicht. Andererseits wird systematisch die Perspektive des Kunden auf den Servicekontakt eingenommen. Ist der Kunde wirklich an einem persönlichen Kontakt interessiert, weil er Antworten auf seine Fragen oder einen Rat bekommt und im Idealfall Geld sparen kann oder sieht er gar keine Notwendigkeit mit einem Unternehmen in Kontakt zu treten und empfindet den Kontakt als ärgerlich.
Die Grundidee ist es, dass ein Unternehmen analysieren sollte, wo Kunde und Unternehmen gleichzeitig Interesse am persönlichen Kontakt haben. Nur hier kommen wertstiftende Gespräche zustande. Besteht eine Interessendivergenz, hat also der Kunde ein hohes Interesse, eine Problemlösung zu erhalten, das Unternehmen schätzt diesen Kontakt jedoch nur als zusätzliche Kosten ein, sollte der Kontakt automatisiert werden. Das ist vor allem da von Interesse, wo Kunden immer wieder die gleichen Fragen stellen. In diesem Zusammenhang geht es häufig um das Verständnis der Funktionsweise von Produkten und Dienstleistungen, auch Self-Service genannt. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, dass das Unternehmen darauf angewiesen ist, dass der Kunde einen Kontakt mit dem Unternehmen hat und bestimmte Informationen preisgibt, wie beispielsweise bei einem Check-In oder einer e-Mail Bestätigung. Derartige Kontakte empfinden Kunden häufig als lästig. Hier gilt es die Kontakte, wie bspw. einen Check-In oder Teilkontakte, wie eine notwendige Identifikation des Kunden möglichst zu vereinfachen. Ein wunderbares Beispiel dafür stellt der YouTube Service Kanal der Royal Bank of Scotland (RBS) dar. RBS hat hier zu den häufigsten Service-Vorfällen im Bereich des eBanking ausgesprochen unterhaltsame Erklärvideos produziert, die für den Kunden einen hohen Mehrwert im Self-Service darstellen. Es geht also auch unterhaltsam UND schnell!
Dabei ist es jedoch essentiell, dass ein Kundenservice-Center-Manager weiss, welche Geschäftsvorfälle im Contact Center anfallen und wie die Wertschätzung der Kundschaft für eine rasche Problemlösung aussieht. Für eine solche inhaltliche Ausgestaltung und Steuerung des Kundenservice werden seit 2016 bei etwa 40% der befragten Unternehmen auch Erkenntnisse aus dem analytischen CRM herangezogen. Die technologischen Möglichkeiten haben hier im letzten Jahr einen grossen Sprung bezüglich Machbarkeit und Bezahlbarkeit erfahren.
6 Voice Analytics wird immer wichtiger
Das gilt offenbar auch für die einfache und schnell Identifikation des Kunden über die Stimme, denn Unternehmen lancieren in zunehmendem Masse „Voiceprint“. Bei einem solchen Stimmabdruck handelt es sich um eine Datei, welche die Merkmale einer Stimme wie Frequenz, Lautstärke, Sprechtempo etc. enthält. Es werden jedoch keine Gesprächsinhalte oder Teile davon aufgezeichnet. Mit einem Stimmabdruck kann die Identität eines Menschen mit über 99-prozentiger Sicherheit authentifiziert werden. Zudem findet die Identifikation anhand von Daten statt, die nicht mit betrügerischer Absicht erworben werden können. Dies kann auch ein Mittel gegen sogenannte Social-Engineering-Angriffe sein. Bei solchen Angriffen geben sich Betrüger als Kunden aus und versuchen so, an sensible Daten zu gelangen. Solche Services bieten Grossunternehmen wie Nuance und Nice schon seit einiger Zeit an. In der Schweiz ist Swisscom zum Beispiel die erste Unternehmung, die eine solche Biometrische Identifizierung im Contact Center nutzt.
Damit gehört das Unternehmen zu den Vorreitern bei der Nutzung von Sprachtechnologie. Erst 7% aller Contact Center nutzen sprachbasierte Informationen zur Identifikation oder gar zur Analyse von Gesprächsinhalten. Das zeigt die neueste Auswertung der Umfrage des Service-Excellence Cockpits. Hier liegt also noch ein Profilierungspotential für viele Unternehmen, da durch die biometrische Identifikation die Gesprächsdauer für Kunden und Unternehmen kürzer wird und Kunden so ihr Ziel einer kompetenten Antwort schneller erreichen.
Das grosse Potential liegt jedoch wie offen skizziert in Verknüpfung von Sprachanalyse und Big Data. Das zeigt beispielsweise das Unternehmen Precire Technologies aus Aachen in Deutschland. Die Gründer dieses Unternehmens geben an, die menschliche Sprache entschlüsselt zu haben. Und das mittels psychologischer Studienergebnisse und dem Einsatz von Big Data Technologie. Das Ergebnis ist verblüffend. Aus aufgezeichneten Kundengesprächen lassen sich so grundsätzliche Aussagen etwa über die kommunikative Wirkung einer Sprache, über Emotionen, Persönlichkeit und sprachliche Kompetenz eines Menschen, aber auch über Motive und Einstellungen einzelner oder Gruppen von Menschen treffen.
Im Contact Center Umfeld ist das natürlich vor allem für das Zusammenspiel von Mitarbeiter und Kunde relevant. Das Tool misst die reale Zufriedenheit des Kunden (und des Mitarbeiters) zu Beginn, während und am Ende des Gesprächs. So spart sich das Unternehmen Post-Call-Befragungen und kann auf der Basis von objektiven Messungen individuelle Trainingsprogramme zusammenstellen. So profitiert auch das Mitarbeiter- und Führungskräfte Coaching von der zunehmenden Digitalisierung im Kundenservice. Schlussendliches Ziel der Analyse ist es, dass Gespräche sowohl kürzer als auch erfolgreicher im Hinblick auf Kundenzufriedenheit als auch im Hinblick auf Cross- und UpSelling werden.
Solche automatisierten Kundenzufriedenheitsmessungen können als eine echte Ergänzung zur heutigen „Masterkennzahl“ NPS gesehen werden, welche laut Service Excellence Cockpit heute immerhin schon von 40% aller Contact Center angewandt wird. Dabei bewertet der Kunde anhand der Frage „Würden Sie uns weiterempfehlen?“ die Beziehung auf einer Skala von 0 bis 10. Diese Bewertung ist subjektiv, kann politischen Erwägungen unterliegen und basiert auf längerfristigen Erfahrungen. Auch eine Messung der Frage „Würden Sie uns auf der Basis der letzten Interaktion weiterempfehlen?“ unterliegt dem gleichen Bias, kann also nicht als Ausdruck der Zufriedenheit mit eben dieser Interaktion an eben diesem Touchpoint gesehen werden. Eine Messung auf Basis eines einzelnen Erlebnisses erscheint also insbesondere zur Steuerung konkreter Mitarbeiter problematisch. Auch muss der Kunde immer wieder erneut Zeit für eine Beantwortung einzelner Fragen oder eines Fragebogens aufwenden. Mit der Zeit nervt dies. Eine Befragung des Kunden bzgl. des NPS sollte sich also auf die jährliche Durchführung beschränken.
7 “Du Schatz, wie war ich?”
Überdies ist eine Befragung nach jeder Interaktion auch wenig empathisch. Normalerweise spürt ein Ansprechpartner ja aus dem Gespräch heraus, wie zufrieden der Kunde ist. Sein Anreiz, diese Information in ein System zur logischen Weiterentwicklung der Kundenbeziehung einzutragen hält sich jedoch, gerade bei problematischen Gesprächen in Grenzen. Dieses Dilemma lösen die beschriebenen Analyse-Systeme auf. Sie messen tatsächlich die konkrete Zufriedenheit, an dem, was der Kunde fühlt und erlebt. Diese Messung findet tief in der Psyche des Kunden und im Moment des Erlebens statt. Durch die Kombination von NPS als übergeordneter Kennzahl und den Precire Touchpoint Messungen ist es somit möglich ein Integriertes CX Cockpit zu erstellen, dass nicht nur Rückschlüsse auf die Interaktionsqualität und das reale Erlebnis des Kunden zulässt, sondern noch überdies aktionsbezogen ist. Nicht zufriedenstellende Erlebnisse werden registriert und der Kunde kann beim nächsten Kontakt gezielt bearbeitet werden, um die Beziehung wieder positiv zu gestalten. Retentionskampagnen werden so dank Sprachanalyse noch gezielter und logischer.
Zusammenfassend gehen knapp 60% der Befragten davon aus, dass der Kundenservice über das Contact Center in den nächsten fünf Jahren strategisch bedeutsamer wird. Was das für die Person des Center- Leiters in Sachen Qualifikation und Bezahlung bedeutet, bleibt jedoch abzuwarten. Sicher ist in diesem Zusammenhang, dass zukünftig andere Anforderungen an die Leitung eines Service-Centers geknüpft werden. Wir sehen das in erster Linie an unserer Hochschule an dem gestiegenen Bedarf an geeigneten Masterabsolventen zum Aufbau von Stabsstellen im Kundenservice. Marktführende Unternehmen managen auch Innovation im Kundenservice mit eigenen sehr gut ausgebildeten Fachkräften, die sie vor allem auf Basis der persönlichen kundenorientierten Einstellung rekrutieren. Aber auch die Arbeit mit Kennzahlen, die weit über den Servicelevel oder eine Schichtplanung hinausgehen, die Interpretation von Indikatoren aus Big-Data-Auswertungen und daraus resultierende Vorschläge zur nachhaltigen Verbesserung von Kundenerlebnissen im Servicebereich zu Händen des Vorstands werden in den nächsten Jahren zum Handwerkszeug eines Contact-Center-Leiters gehören. Das Service-Excellence-Cockpit und die in diesem Buch vorstellten modernen Technologien und Lösungen helfen, mit diesen Herausforderungen schritthalten zu können. Und dazu wünsche ich Ihnen viel Energie und viel Spass beim Lesen.
Das Service-Excellence-Cockpit findet man unter: www.service-excellence-cockpit.ch
Quelle: Digital Customer Service 2017