Glaux Soft Know-how: Die Krux mit der Prozessmessung

09.05.2017.

von Pascal Bürgy, Head of Quality Management und Projektleiter bei Glaux Soft AG

Qualitätsmanagementsysteme – ohne geht es heute nicht mehr. Digitalisierung, starker Franken, Wettbewerbsdruck sind nur ein paar Gründe dafür, dass sich Unternehmen konsequent mit sich verändernden Prozessen auseinandersetzen müssen. Aber was ist eigentlich “Qualität”? Und wie kann die Wirksamkeit des von den meisten eingesetzten ISO 9001 QMS überhaupt gemessen werden? Diesen Fragen geht der Qualitätsverantwortliche von Glaux Soft AG, Pascal Bürgy, auf den Grund.

“Die einzige Konstante ist die Veränderung” titelte Die Welt schon Anfang 20071. Diese Aussage bezog sie auf die sich verändernde Arbeits- und Ausbildungsumgebung in einer stets wettbewerbsorientierteren und zunehmend digitalisierten Arbeitswelt. Zehn Jahre später geniesst diese plakative Aussage mehr denn je Gültigkeit. Dies gilt für die individuelle Arbeitswelt eines einzelnen Mitarbeiters genauso wie, übergeordnet betrachtet, auch für die Prozessmodelle und Vorgehensweisen von Unternehmungen.

Unternehmen müssen sich stetig an den sich wandelnden Bedürfnissen und Anforderungen des Marktes ausrichten. Dabei darf weder Effizienz noch die Effektivität der Unternehmensorganisation gefährdet werden. Um dieser anspruchsvollen Aufgabe gerecht zu werden, ist heute der Einsatz dokumentierter Qualitätsmanagementsysteme unerlässlich. Dabei hat sich die Orientierung am ISO Standard 9001, nach welchem auch Glaux Soft zertifiziert ist, nicht nur in der IT durchgesetzt2. In Anlehnung an diesen Standard lässt sich Qualität als die Schnittmenge zwischen den Fähigkeiten und Möglichkeiten einer Unternehmung mit den Marktanforderungen (Abb.1) definieren, womit die konsequente Ausrichtung nach den Kundenbedürfnissen festgelegt wird3.

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Zudem erfordert das generische ISO 9001 Prozessmodell eine koordinierte Vorgehensweise zur kontinuierlichen Verbesserung des dokumentierten Qualitätsmanagementsystems. Dieses orientiert sich stark am bekannten Demingkreis nach W. Edwards Deming , auch bekannt als PDCA-Zyklus. Dieser definiert die kontinuierliche Verbesserung als ein iteratives Zusammenspiel aus einer Planungs-, Durchführungs-, Überprüfungs- und Verbesserungsphase (Abb.2).

chart02

Insbesondere das Überprüfen der Wirksamkeit von Veränderungen und damit einhergehend das Messen und Beurteilen der IST-Situation ist eine grosse Herausforderung. Geschäftsprozesse stellen in der Regel relativ abstrakte, wenig greifbare Konstrukte dar. Dafür müssen konkrete Messgrössen festgelegt werden, die mittels belastbaren Messtechniken verlässliche und wiederkehrende Messresultate liefern. Darauf aufbauend bedarf es eines allgemeingültigen Verständnisses darüber, wann und in welcher Form ein entsprechendes Messresultat als gut oder schlecht zu betrachten ist.

Zu beiden Aspekten der (Prozess-)Messung bietet der ISO 9001 Standard, seinem Charakter als normatives Rahmenwerk entsprechend und anders als konkrete Prozessrahmenwerke wie COBIT 5 oder ITIL V3, keine detaillierte Ausführungsunterstützung. Auch ein Rückschluss auf bereits bestehende Qualitätsmanagementsysteme zur Adressierung dieser Herausforderungen im Sinne einer Best Practice ist nur begrenzt möglich. Der Grund dafür ist, dass die konkrete Ausgestaltung von ISO 9001 Prozessmodellen enorm branchen- und firmenspezifisch ist. Denn im Gegensatz zu den beiden genannten, konkreten Prozessframeworks, gibt ISO 9001 keine exakte Prozesslandschaft vor. Diese Individualität ist es auch, die ein firmen- oder branchenübergreifendes Benchmarking von Qualitätsmanagementsystemen verhindert.

Es muss also ein Ansatz zur Prozessmessung gefunden werden, mit dem sich die Individualität eines ISO 9001 Prozessmodells mit der Strukturiertheit eines konkreten Prozessframeworks kombinieren lässt. Ziel ist, das Beste aus beiden Welten zu verbinden und damit eine belastbare und vergleichbare Prozessmessmethodik für ein ISO 9001 Qualitätsmanagementsystem zu erhalten.

Ansatz zur wirkungsvollen Messung eines ISO 9001 Qualitätsmanagementsystems

Kombiniert wird ein spezifisches ISO 9001 Prozessmodell mit den standardisierten Messmetriken von COBIT 5 PAM (Process Assessment Model). Ziel ist es, die strukturierten Elemente des COBIT Prozessmodells innerhalb eines individuellen Qualitätsmanagementsystems einzusetzen. Daraus resultiert der Prototyp eines Prozessmessinstruments, wie es nachfolgende Grafik visualisiert.

chart03

Die innerhalb dieses Systems visualisierte Methodologie basiert auf einer zweistufigen, sich gegenseitig beeinflussenden Vorgehensweise.
In einem ersten Teilprozess, der Prozessmodellverknüpfung, werden die eigenen, individuellen ISO 9001 Prozesse einem generischen Prozessmodell für IT KMU zugeordnet. Dies geschieht in drei Einzelschritten:

  • Als erstes muss das generische Prozessmodell für IT KMU verstanden werden, denn dieses ist existentieller Bestandteil des zuvor skizzierten Messinstruments und bildet die Basis für alle weiteren Einzelschritte.
  • Nun werden die eigenen, individuellen ISO 9001 Prozesse je einem Prozess des generischen Prozessmodells zugewiesen. Dazu werden fünf verschiedene Prozessmerkmale je eines individuellen und eines generischen Prozesses analysiert und einander gegenübergestellt.
  • Bei ausreichender Ähnlichkeit resultiert daraus eine belastbare Verknüpfung der beiden Prozesse, welche im Messinstrument dokumentiert wird.

Für alle individuellen Prozesse durchgeführt, ergibt dieser erste Schritt eine komplette Verknüpfung der beiden Prozessmodelle, so dass jeder individuelle Prozess mit einem generischen Prozess in Verbindung gebracht werden kann.

Basierend auf diesen verknüpften Prozessmodellen kann im zweiten Teilprozess, der Prozessreifegradmessung, die eigentliche Prozessqualität gemessen werden. Dies erfolgt in fünf Einzelschritten:

  1. Unter Beachtung der Unternehmensziele werden die zu prüfenden Prozesse bestimmt. Damit wird das übergeordnete Ziel verfolgt, die verfügbaren Ressourcen in die Verbesserung der strategisch priorisierten Unternehmensprozesse zu investieren.
  2. Dann wird für jeden dieser Prozesse ein zu erreichender Reifegrad definiert. Dahinter steckt wiederum die strategische Überlegung, dass nicht für jeden Prozess der höchstmögliche Reifegrad erreicht werden muss, um die gesetzten Unternehmensziele erreichen zu können.
  3. Anschliessend erfolgt die eigentliche Messung der Prozessreife, wobei sich das Messinstrument auf die standardisierten Methoden von COBIT 5 PAM bezieht. So bedarf es zur Erreichung jeden Maturitätslevels die Erfüllung prozessspezifischer (für Level 1) respektive generischer (Levels 2 – 5) Ausprägungen. Über die dokumentierte Verbindung der COBIT 5 Prozesse zu den Prozessen des generischen Prozessmodells, kombiniert mit der initial hergestellten Verknüpfung eben dieses generischen Prozessmodells mit den individuellen Prozessen, wird so die Nutzung der COBIT 5 Messmethodik innerhalb des eigenen, individuellen Qualitätsmanagementsystems möglich.
  4. Entsprechend den je Prozess ermittelten Messwerten erfolgt die Einstufung jedes Prozesses in den entsprechenden Reifegrad. Dabei werden insgesamt sechs unterschiedliche Reifegrade unterschieden.
  5. Abschliessend werden die ermittelten Reifegrade mit den zuvor definierten Zielreifegraden verglichen, wobei bei negativen Abweichungen entsprechende Verbesserungsmassnahmen eingeleitet werden.

chart04

Je höher der Reifegrad, desto etablierter und ausgereifter ist der entsprechende Prozess.

Die Wirksamkeit der umgesetzten Verbesserungsmassnahmen wird zu gegebener Zeit wiederum mit der beschriebenen Prozessreifegradmessung ermittelt. Führt eine Verbesserung zu einer strukturellen Anpassung des individuellen ISO 9001 Prozessmodells, so wird vor der erneuten Messung zuerst wiederum die Prozessmodellverknüpfung durchgeführt.

Der Einsatz dieses Messinstruments erlaubt also die strukturierte, nachvollziehbare und vergleichbare Messung von Prozessreifegraden in ISO 9001 Qualitätsmanagementsystemen. Eine der umfassendsten Herausforderungen im kontinuierlichen Verbesserungsprozess von ISO 9001 lässt sich so nachhaltig adressieren. Die ermittelten Resultate erlauben dem Management, einen strukturierten Überblick über den Zustand des Managementsystems und der zugrundeliegenden Prozesse zu erhalten. Auf dieser Basis lassen sich dann mit begrenzten Ressourcen gezielt Verbesserungen dort initiieren, wo sie die Erreichung der Unternehmensziele optimal unterstützen.

1 https://www.welt.de/print-welt/article709918/Die-einzige-Konstante-ist-die-Veraenderung.html(Access: 17. March 2017).

2 Schroll, Johann (2006): Qualitätsmanagement im IT-Bereich, ISO 9001 und ITIL® im Vergleich, GRIN Verlag GmbH, Munich (Germany).

2 Schmitt, Robert (2015): Unternehmerisches Qualitätsmanagement, Das unternehmerische Qualitätsverständnis, Available: http://www.aachener-qualitaetsmanagement-modell.de/das-unternehmerische-qualitatsverstand-nis/ (Access: 11. May 2015).

3 Deming, Walter E. (1982): Out of the Crisis, Massachusetts Institute of Technology (MIT), Cambridge (United States).

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